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BGH: Händler dürfen im Lockdown Miete kürzen

Handelsverbände begrüßen das Urteil

Händler haben bei Schließung ihrer Geschäftsräume im Shutdown grundsätzlich Anspruch auf Mietminderung. Das hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden. Es müssten aber immer sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, beschieden die Richter. Dazu zählten zum Beispiel die Umsatzeinbußen für das konkrete Objekt, staatliche Hilfen oder Versicherungsleistungen.

Der BGH hatte deutlich gemacht, dass die Belastungen durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen staatlichen Maßnahmen in gewerblichen Mietverhältnissen nicht von vornherein ausschließlich vom Einzelhändler als Mieter zu tragen sind. Richtigerweise seien die Risiken daher zwischen den Parteien in einem angemessenen Verhältnis und unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls zu teilen.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) begrüßte das Urteil und sieht sich in seiner bisherigen Auffassung bestätigt. „Das BGH-Urteil bestätigt unsere Rechtsauffassung. Es ist ein wichtiger Schritt, dass nun auch höchstrichterlich verbrieft ist, dass die finanziellen Risiken in Verbindung mit der Pandemie nicht alleine auf die Mieterseite abgewälzt werden dürfen. Damit ist der Weg für eine Anpassung der Mieten in den individuellen Vertragsverhältnissen endlich grundsätzlich frei“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Die Entscheidung hatten zahlreiche von den staatlichen Corona-Restriktionen betroffene Einzelhändler dringend erwartet. Der HDE hatte seit Beginn der Corona-Krise die Auffassung vertreten, dass die Risiken im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie in den Mietverhältnissen nicht einseitig bei den gewerblichen Mietern abgeladen werden dürften. In der Vergangenheit mussten viele Handelsunternehmen feststellen, dass eine einvernehmliche Einigung mit dem Vermieter nicht möglich ist. So haben nach einer HDE-Umfrage noch Anfang 2021 trotz einer bereits erfolgten gesetzlichen Klarstellung beispielsweise noch 60 Prozent der von den Geschäftsschließungen betroffenen Einzelhändler vergeblich auf ein Entgegenkommen des Immobilieneigentümers gewartet.

„Das Urteil wird es den von den Corona-Maßnahmen hart getroffenen Händlern deutlich erleichtern, mit ihren Vermietern eine Reduzierung der Miete zu erreichen.“, so Genth weiter. Denn auch wenn es dabei bleibe, dass der Vertragsanpassungsanspruch von der spezifischen Situation im Einzelfall abhängig sei und pauschale Lösungen damit nicht in Betracht kämen, hätten die gewerblichen Mieter mit dieser Rechtsprechung wichtige Rechtssicherheit erhalten, die wegen der Blockade zahlreicher Vermieter in den Vertragsanpassungsverhandlungen dringend notwendig gewesen sei.

Wichtig ist, dass nach der Rechtsprechung bei der Einzelfallbetrachtung nur auf das konkrete Mietobjekt abzustellen ist. Für den Anspruch auf Vertragsanpassung sind damit Konzernumsätze (z. B. aus dem Online-Handel) oder Rücklagen des Unternehmens aus der Vergangenheit irrelevant. Staatliche Unterstützungsleistungen, die für das konkrete Ladengeschäft gewährt werden, sind aber richtigerweise zu berücksichtigen, auch um eine Überkompensation zu vermeiden. Staatliche Darlehen schaffen dagegen keine dauerhafte Entlastung für den Einzelhändler und können sich nach der Rechtsprechung daher nicht auf den Vertragsanpassungsanspruch auswirken.

Genth: „Auch die Immobilieneigentümer dürften jetzt weniger Interesse haben, den beschwerlichen und kostenintensiven Weg durch die Instanzen der Zivilgerichtsbarkeit zu beschreiten – schon weil sich ihre Erfolgsaussichten heute generell deutlich reduziert haben.“

Auch der BTE begrüßt das BGH-Urteil. „Es ist nur fair, dass die Kosten und Nachteile einer erzwungenen Schließung auf Mieter und Vermieter verteilt werden“, so BTE-Hauptgeschäftsführer Rolf Pangels. „Von dem Urteil können tausende Textil-, Schuh- und Lederwarengeschäfte profitieren, die vor allem in den Innenstädten oft hohe Mieten zahlen und sich längst nicht immer mit ihren Vermietern über eine Mietminderung während des Lockdowns einigen konnten.“

Das Oberlandesgericht Dresden muss sich nun erneut mit dem Fall befassen und klären, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen die Geschäftsschließung für den Textildiscounter KiK hatte. Geklagt hatte der Hausbesitzer Jürgen Zehnder von der Zehnder Grundstücksverwaltung. Bereits 2013 schloss er einen Mietvertrag mit dem Textildiscounter KiK. Als die Filiale im März gemäß der Anordnung des Freistaates Sachsen wegen der Pandemie geschlossen blieb, zahlte der Discounter die Miete in Höhe von knapp 7.850 Euro nicht.

Zehnder entschloss sich zu klagen. Die Umsatzeinbußen seiner Mieter seien kein Grund dafür, die Miete nicht zu zahlen. Das Risiko, die Filiale öffnen zu können, trage KiK allein. So sah es auch das Landgericht (LG) Chemnitz und verurteilte KiK zur Zahlung. Der Discounter ging daraufhin in Berufung. KiK stützte sich unter anderem darauf, dass man angesichts der Pandemie etwas anderes im Mietvertrag vereinbart hätte, wäre früher bekannt gewesen, dass es zu Schließungen kommen würde.

Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden gab KiK in Teilen Recht. Es entschied, dass nur 50 Prozent der Kaltmiete zu zahlen seien. Das Risiko Corona-bedingter behördlicher Betriebsschließungen trügen Mieter und Vermieter gemeinsam. Verträge müssten entsprechend angepasst werden. Das OLG bezog sich in seiner Entscheidung auf eine neue Regelung, die der Gesetzgeber zum Jahreswechsel 2020/2021 einführte. Bei Lockdowns wird demnach vermutet, dass sich seit Vertragsabschluss ein Umstand schwerwiegend geändert hat, so dass gewerbliche Mieter eine Mietminderung verlangen können. Gegen das Urteil waren dann beide Seiten dann vor den BGH gezogen.

 

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