Schuhhandel am Rand der Existenz

Brigitte Wischnewski

BDSE-Präsidentin äußert sich im Vorfeld der Gallery Shoes zur Situation der Branche

Die Präsidentin des Handelsverbands Schuhe (BDSE), Brigitte Wischnewski, hat im Vorfeld der Düsseldorfer Gallery Shoes & Fashion auf die Situation der Branche aufmerksam gemacht. „Der zweite, nunmehr bereits seit Mitte Dezember vergangenen Jahres anhaltende Lockdown bringt den Schuheinzelhandel zur Verzweiflung“, so Wischnewski. Abgesehen von kurzen und regional unter-schiedlichen Öffnungsphasen, meist nur mit vorheriger Terminvereinbarung, habe der stationäre Fachhandel seine Ladentüren in diesem Jahr noch nicht öffnen dürfen. Jeden Monat, in dem der stationäre Schuhhandel geschlossen bleiben müsse, gingen ihm rund 700 Millionen Euro Umsatz verloren. Nach den Verkaufssaisons Frühjahr/Sommer 2020 und Herbst/ Winter 2020/21 sei dies nun die dritte Saison in Folge, in der die Unternehmen auf einem großen Teil ihrer eingekauften Ware sitzen blieben und hohe Verluste einfahren würden. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres habe der stationäre Schuhfachhandel pandemiebedingt und im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit schätzungsweise 1,5 Milliarden Umsatz einbüßen müssen.

„Da die staatlichen Hilfen bei weitem nicht reichen, zahlreiche Schuhhäuser sogar gänzlich leer ausgehen, werden viele Schuhhäuser den langanhaltenden Lockdown kaum überleben können“, so Wischnewski. Nach einer aktuellen Handelsbefragung des HDE gehen 58 Prozent der Schuhfachhändler davon aus, dass sie ohne weitere staatliche Hilfen ihr Geschäft noch in diesem Jahr aufgeben müssen. „Bei gut 3.000 Unternehmen mit rund 10.000 Stores sind empfindliche Lücken in unseren Innenstädten zu befürchten, zumal die wirtschaftliche Situation im Bekleidungshandel ähnlich dramatisch ist“, sagte die BDSE-Präsidentin.

Deutliche Verschiebung der Absatzkanäle

Die Pandemie führte im Schuhmarkt zu einer deutlichen Verschiebung der Marktanteile der Absatzkanäle. Eindeutiger Krisengewinner ist der Onlinehandel, der im vergangenen Jahr seinen Marktanteil nach BDSE-Berechnungen von 26 Prozent auf 34 Prozent ausbauen konnte. Gewachsen sind nicht nur die Online Pure Player wie Zalando, sondern auch die Online-Umsätze der Multichannel-Schuhhändler mit stationären Wurzeln, die ihren digitalen Vertriebsweg in den vergangenen zwölf Monaten mangels Alternativen zum Teil kräftig ausbauten.

Wie überhaupt viele kleine und mittelgroße Schuhgeschäfte in der Zeit des Shutdowns neue digitale Kommunikationskanäle zu ihren Kunden sich erschlossen oder ihre digitalen Tools aus Servicegründen weiter optimiert haben. Deren Online-Verkäufe, oftmals über Online-Marktplätze und -Plattformen getätigt, vermochten aber bei weitem nicht die Umsatz- und Renditeverluste des stationären Geschäfts auszugleichen. Aber sie konnten darüber zumindest den Kundenkontakt halten und versuchen, überschaubare Teile ihrer Warenüberhänge trotz Öffnungsverbot abzusetzen.

Rückläufiges Marktvolumen

Die Kanalverschiebungen finden in einem insgesamt rückläufigen Markt statt. Denn die Verbraucher halten sich mit ihren Konsumausgaben Corona-bedingt auch bei Schuhen aktuell zurück. Nach vorläufigen BDSE-Berechnungen schrumpfte das Marktvolumen bei Schuhen 2020 um 13,5 Prozent auf 10,2 Milliarden Euro. Zwar konnte der Online- und Katalogversandhandel bei Schuhen um 15 Prozent zulegen, doch gingen in dieser Zeit dem stationären Schuhhandel rund 23 Prozent seiner Umsätze verloren. Neben den Schuhfachgeschäften mussten auch andere Vertriebsformen des Einzelhandels, die dem Lockdown unterlagen, bei ihren Schuhumsätzen zweistellige Einbußen verkraften, so beispielsweise die Schuhsortimente der Kauf- und Warenhäuser und jene der Bekleidungsgeschäfte.

Schuhhandel muss wieder öffnen dürfen

Die Schuhbranche hofft auf eine Nachbesserung der Corona-Hilfen. Dies insbesondere auch im Zuge der anstehenden Änderung des Infektionsschutzgesetzes, das mit einer Verlängerung der Lockdownphase und verschärften regionalen Öffnungsszenarien verbunden sein wird. Wenn schon der Nonfood-Handel diesen Kraftakt zur Eindämmung der Pandemie leisten soll, dann müsse der Staat auch für einen fairen Schadensausgleich sorgen, fordert Wischnewski. Wobei aus Sicht des BDSE und durch wissenschaftliche Studien des RKI, der TU Berlin und der Berufsgenossenschaft belegt sei, dass die Ansteckungsgefahr im Einzelhandel – insbesondere bei Beachtung der gängigen Abstands- und Hygienevorschriften – ausgesprochen gering sei.

Hinzu komme beim Verkauf von Schuhen der Gesundheitsaspekt einer fachkundigen Beratung. Denn nicht nur bei Babys und Kindern, deren Füße in bestimmten Altersklassen rasch und innerhalb nur eines Jahres über mehrere Schuhgrößen hinweg wachsen, sei mit Blick auf die Passform eine qualifizierte und zeitnahe Beratung beim Schuhkauf sehr wichtig, sondern auch bei Erwachsenen sei gut passendes Schuhwerk gesundheitlich geboten, nicht zuletzt um Fußdeformationen, Nervenschmerzen und Fehlhaltungen mit entsprechenden orthopädischen Folgeschäden vorzubeugen, so die Schuhhändlerin Wischnewski. Auch aus diesem Grund, und mit dem Rückenwind eines Urteils der Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März dieses Jahres, hat der BDSE unlängst nicht nur die Öffnung der Kinderschuhgeschäfte, sondern die Öffnung aller Schuhfachgeschäfte gegenüber Bund und Ländern gefordert.

 

 

 

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