„Das gefährdet Jobs im Einzelhandel“
Nach der heutigen Entscheidung der Mindestlohnkommission warnt der Handelsverband Deutschland (HDE) vor tiefgreifenden Folgen für den Einzelhandel. Die empfohlene schrittweise Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 13,90 Euro ab dem 1. Januar 2026 und auf 14,60 Euro ab Anfang 2027 könne die Branche wirtschaftlich überfordern und zu einem massiven Stellenabbau führen.
Die Entscheidung fiel in einer angespannten wirtschaftlichen Lage: Der Einzelhandel befindet sich seit Jahren in einer Phase der Rezession oder Stagnation. Vor diesem Hintergrund sei die beschlossene Erhöhung nach Einschätzung des HDE nicht mehr verkraftbar. „Die Festlegung des Mindestlohns ist keine Sozialpolitik. Jobs müssen sich für Arbeitgeber in der Privatwirtschaft rechnen, sonst fallen sie weg“, erklärte HDE-Präsident Alexander von Preen.
Man respektiere die Arbeit der unabhängigen Mindestlohnkommission, betonte von Preen, kritisierte aber scharf die politische Einflussnahme im Vorfeld. Die Entscheidung sei nicht mehr rein auf Grundlage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit getroffen worden. Insbesondere die strukturelle Schwäche des stationären Einzelhandels, der mit sinkender Frequenz, hohem Wettbewerbsdruck und inflationsbedingt zurückhaltendem Konsum kämpft, sei aus Sicht des HDE unzureichend berücksichtigt worden.
Überdurchschnittliche Erhöhungsdynamik
Mit der aktuellen Entscheidung steigt der gesetzliche Mindestlohn um insgesamt 13,9 Prozent in zwei Schritten. Seit seiner Einführung im Jahr 2015 entspricht dies einer kumulierten Steigerung um 71,8 Prozent – ein Wert, der deutlich über dem allgemeinen Tariflohnwachstum liegt. Diese Dynamik sieht der HDE kritisch.
„Der Mindestlohn steigt viel schneller als die Tariflöhne und frisst sich immer tiefer in die geltenden Tarifstrukturen. Das kann auf Dauer so nicht funktionieren“, warnte von Preen. Die Tarifautonomie, ein verfassungsrechtlich geschütztes Prinzip, werde durch diese Entwicklung ausgehöhlt.
Auch auf Verbraucherseite könnten sich die Folgen bemerkbar machen: Um die höheren Personalkosten zu kompensieren, sei mit Preissteigerungen zu rechnen. Dies wiederum könne die Kaufkraft der Beschäftigten untergraben – mit dem paradoxen Ergebnis, dass trotz höherer Löhne die realen Einkommen kaum steigen.
Staatliche Sozialpolitik statt wirtschaftlicher Belastung
Der HDE betont in seiner Stellungnahme, dass die Sicherung des Existenzminimums nicht Aufgabe der Arbeitgeber, sondern des Sozialstaats sei. Eine Mindestlohngestaltung, die diese Funktion zunehmend übernehmen solle, sei verfehlt. „In der Privatwirtschaft ergeben sich Löhne aus der finanziellen Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers und der Arbeitsproduktivität“, so von Preen weiter. Die Mindestlohnkommission hätte stärker abwägen müssen, welche Beschäftigungseffekte eine solche Erhöhung in einer konjunkturell geschwächten Branche nach sich ziehe.
Kritik an politischer Einflussnahme
Besonders scharf fällt die Kritik an der politischen Einmischung aus. Von Preen bezeichnete den zunehmenden Einfluss politischer Akteure auf die Entscheidungen der Mindestlohnkommission als „populistisch und systembedrohend“. „Die Politik muss sich aus der Lohnfindung raushalten. Die Kommission arbeitet wissenschaftlich und unabhängig, das ist zu respektieren“, so der HDE-Präsident.
Die politisch motivierte Erwartungshaltung habe zu einem enormen Druck auf die Kommission geführt. Die Folge sei eine zunehmende Unvorhersehbarkeit künftiger Mindestlohnentwicklungen – ein Umstand, der den Planungshorizont von Handelsunternehmen massiv einschränke.
Einzelhandel unter Druck
Die Kombination aus drastischer Mindestlohnerhöhung, steigenden Lohnnebenkosten und einem ohnehin schwierigen Marktumfeld führe nach Einschätzung des HDE zu einer akuten Gefährdung von Arbeitsplätzen. Besonders betroffen seien kleinere Betriebe und Standorte im ländlichen Raum, bei denen Personalkosten einen besonders hohen Anteil an den Gesamtausgaben ausmachen.
„Eine so deutliche Mindestlohnerhöhung auf nahezu 15 Euro können die Händlerinnen und Händler nicht stemmen“, so von Preen. „Es drohen erhebliche Jobverluste. Die Entscheidung der Mindestlohnkommission wird gravierende Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland haben.“
Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland (seit 2015)
- 2015: 8,50 €
- 2017: 8,84 €
- 2019: 9,19 €
- 2020: 9,35 €
- 2021: 9,60 €
- 2022: 9,82 € / 10,45 €
- 2023: 12,00 €
- 2024: 12,41 €
- Geplant:
• ab 1.1.2025: 12,82 €
• ab 1.1.2026: 13,90 €
• ab 1.1.2027: 14,60 €