Fragen an Ralph Rieker von Ricosta

Die Wertschätzung des stationären Einzelhandels wird eher zunehmen

Wie gehen sie mit der derzeitigen Corona-Krise um? Welche Entwicklungen erwarten sie?

Es kursieren derzeit viele unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema. Wir alle sind sehr plötzlich in eine Situation hineingerutscht, für die es kein Lehrbuch gibt und in der an auf keinerlei Erfahrungen ähnlicher Situationen in der Vergangenheit zurückgreifen kann. Wir gehen mit der Corona-Krise in einer Form der Besonnenheit und Ruhe um, wägen täglich neu ab und prüfen sorgfältig, welche Schritte wir als nächstes gehen. Dennoch: Aus der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 mit zweistelligen Umsatzeinbußen hat unsere Branche leider nichts gelernt. Wir haben expandiert auf Teufel komm raus, teure Logistikketten aufgebaut, viel zu teure Prozesse in Gang gesetzt und hatten am Ende zu viel Ware und träge Prozesse. Und: es fehlt an Schärfe und Tiefe in der Distribution. Das alles fällt uns jetzt zusätzlich noch auf die Füße. Ich finde es gut, dass jetzt über veränderte Lieferrhythmen nachgedacht wird, und wünsche mir, dass es nicht nur beim Nachdenken bleibt. Seit Jahren reden wir uns über dieses Thema die Köpfe heiß und alle sind der Meinung, dass hier etwas verändert werden muss, aber passiert ist in all den Jahren nichts. Und wir haben wertvolle Zeit verschenkt. Ich erwarte jetzt, dass die vielen Dinge, die in der Vergangenheit angesprochen wurden, endlich umgesetzt werden und dass ein partnerschaftlicher Umgang miteinander entsteht. Mehr denn je sind wir (Handel, Industrie und Verbraucher) aufeinander angewiesen.

Industrie und Handel befürchten nach dem Ende des Lockdowns harte Preisschlachten. Was kann die Industrie, was kann der Handel und eventuell der Gesetzgeber tun, um das einzudämmen? Was halten Sie von Maßnahmen wie z.B. die Ausdehnung der regulären Verkaufszeiten?

Politisch, so glaube ich, kann man da nur sehr wenig tun. Der Wunschtraum eines festen Schlussverkaufstermins wird sicherlich nicht mehr umgesetzt werden, nicht zuletzt weil die Verbraucher es nicht wollen. Ich appelliere dringend an den Handel, nicht in den großen Preiskampf einzusteigen. Ich brauche reguläre Verkaufszeiten nicht auszudehnen, wenn ich mich einfach nur frage, wann der Sommer/Winter beginnt, kalendarisch nämlich am 20./21. Juni bzw. am 21./22. Dezember. Wenn wir uns alle daran orientieren würden, wäre schon viel erreicht.

Sollten es in diesem Jahr keine Messen mehr geben, wie wollen Sie Ihre Kunden über die neue F/S-Kollektion 2021 informieren? Wie soll geordert werden?

Wir wollen es so tun wie bisher: Videokonferenzen, unsere Vertreter haben Testaufträge geschrieben, individuelle Termine am POS und in Ordercentren. All das hat bislang bei uns sehr gut funktioniert. Darüber hinaus haben wir sehr gute Erfahrungen mit der Fashion Cloud gemacht.

Es gibt erste Lieferanten, die komplett auf eine neue F/S-Kollektion 2021 verzichten. Wie ist Ihre Meinung hierzu?

Das kann ich unter bestimmten Umständen nachvollziehen. Es schadet sicher nicht, die Bestandteile der FS-Kollektion genau anzuschauen und zu prüfen, was mitgenommen werden kann. Vielleicht ist es auch sinnvoll, die Kollektion mal zu straffen. Vergessen sollte man dennoch nicht, dass die Endverbraucher zu Beginn der Saison Neues erwarten – vielleicht mehr denn je.

Wie schätzen Sie die Situation des stationären Handels nach dem Lockdown ein?

Ich bin davon überzeugt, dass die Wertschätzung des stationären Einzelhandels in der Wahrnehmung der Endverbraucher eher zunehmen wird. Amazon und Zalando sind im Bereich Schuhe und Mode sicherlich nicht die Gewinner der Krise. Dort hat man die Warenannahme der Lieferanten abgelehnt mit dem Ergebnis, dass Vieles nicht oder nur mit langen Lieferzeiten verfügbar war. Aber die Schuhhändler: die haben mit einer Fülle kreativer Ideen wie Schuhtaxis und anderen Dingen auf sich aufmerksam gemacht und gezeigt, dass sie in der Krise verlässlich für ihre Kunden da waren.

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