tierisch schön?

Ausstellung im Ledermuseum Offenbach startet im Oktober

In welchem Verhältnis steht der Mensch zum Tier? Sind Tiere unsere Begleiter, eine Bedrohung, Beute oder besitzen sie gar magische Kraft? Wie hat sich das Verhältnis Mensch/Tier in verschiedenen Kulturen im Lauf der Jahrhunderte verändert? Antworten auf diese Fragen gibt die Ausstellung „tierisch schön?“, die vom 3. Oktober 2020 bis 30. Mai 2021 im Deutschen Ledermuseum in Offenbach zu sehen ist.

Das Fragezeichen im Titel der neuen Ausstellung „tierisch schön?“ verweist auf die symbiotische wie auch ambivalente Geschichte der Beziehung zwischen Mensch und Tier. Auch aktuelle Debatten wie beispielsweise um das Tierwohl im Kontext von Massentierhaltung und Fleischproduktion regen kontinuierlich zum Nachdenken an und werfen immer wieder Fragen auf, wie sich das Zusammenleben von Mensch und Tier nachhaltig gestalten lässt.

Seit Urzeiten sind Tiere die wichtigsten Begleiter des Menschen und Bestandteil seiner Lebenswelt, dies belegen etwa frühzeitliche Kleinplastiken sowie Höhlenzeichnungen. Tiere stellten einerseits eine Bedrohung für den Menschen dar, andererseits waren sie als Jagdbeute und Haustiere Nahrungs- und Rohstofflieferanten. Darüber hinaus wird Tieren bis heute in verschiedenen Kulturen eine magische Kraft zugeschrieben; sie spielen als Heilsbringer und Gottheiten eine Rolle für Rituale und Religionen.

Dieses Verhältnis veränderte sich in vielen Kulturen im Laufe der Jahrtausende immer wieder. In jüngster Zeit werden vermehrt ethische und ökologische Fragen gestellt, das Töten von Tieren abgelehnt sowie der Verzicht auf tierische Produkte gefordert. Mit dieser Thematik befassen sich auch die interdisziplinären Human-Animal-Studies, mit denen die kulturelle, soziale und gesellschaftliche Bedeutung von Tieren sowie ihre Beziehungen zu Menschen erforscht werden.

Zu diesem Diskurs kann und muss ein Museum, dessen Sammlung auf Exponate aus tierischen Materialien spezialisiert ist, einen Beitrag leisten. Das DLM in Offenbach am Main hat mit seiner Fokussierung auf Leder und artverwandten Materialien weltweit ein Alleinstellungsmerkmal in der Museumswelt: Über 30.000 Objekte zeugen von der jahrtausendealten globalen Verwendung und der vielfältigen kulturhistorischen Bedeutung des Werkstoffs Leder von der Urzeit des Menschen bis heute. Bestände alternativer Materialien werden in den letzten Jahren gezielt um vegane und recycelbare Stoffe erweitert.

Mit der Ausstellung „tierisch schön?“ nimmt das DLM seine eigene Sammlung kritisch in den Blick: Welche tierischen Rohstoffe wurden und werden von Menschen genutzt und wozu? Welche Rolle spielen die Einteilung von Tierarten in Nutz- und Haustier oder die den Tieren zugeschriebenen kulturellen Bedeutungen? Wie kommt es zum Wandel von Moden? Was bedeuten Artenschutz und Veganismus? Auch die Nachhaltigkeit des Materials Leder wird dabei nicht vergessen, insbesondere im Hinblick auf die Debatte um die Vermeidung von Plastikmüll und abbaubaren Produkten.

Ausgehend von dem umgestalteten Studioraum, in dem auf einzelne Themen fokussiert wird, führt ein Parcours durch die Ausstellungsräume des DLM und lädt die Besucher ein, die Objekte unter der Perspektive der behandelten Fragestellungen neu zu betrachten. Die Exponate erzählen vom Umgang mit Tieren, ihrer Nutzbarmachung und Aneignung durch den Menschen und lassen auch den gesellschaftlichen Wandel ablesbar werden.

Tierische, zu Kleidung verarbeitete Materialien wie Wolle, Seide, Leder und Felle dienen nicht nur als Schutz vor Kälte und Nässe, sondern auch zum Schmücken. So verdeutlicht beispielsweise ein Mantel aus Pythonhaut oder eine Handtasche aus Leguanleder mit einer aufgesetzten präparierten Echse den Wunsch, Extravaganz zum Ausdruck zu bringen. Seit einigen Jahren sind Animal Prints omnipräsent; Kunstdrucke werden auf Textilien, zuweilen auch auf das echte Fell eines Tieres aufgebracht wie zum Beispiel bei den ausgestellten Pumps von Walter Steiger.

Neben den Aspekten des Schutzes und der Zierde werden Felle und Federn auch aufgrund ihrer symbolisch-kulturellen Bedeutung verwendet. So berichtet eine Helmmütze oder ein Schild von der Vorstellung, dass sich die Stärke eines Tieres durch die Übernahme von Löwenmähne oder Adlerfedern auf den Menschen übertragen lässt. Die Macht über das erlegte Beutetier wird über den Akt des Tötens hinaus im Sammeln und Präsentieren der (Großwild-)Jagdtrophäen demonstriert.

Zeitgleich werden verniedlichte und vermenschlichte Tiere immer präsenter. Wohnaccessoires, Spielzeug oder Möbel in Tiergestalt wie die Designklassiker von Omersa – gezeigt wird ein Hocker in Form eines Elefanten – oder ein Filmbeitrag der Augsburger Puppenkiste, in dem die Museumsratten als DLM-Museumsbesucher mit menschlichen Verhaltensweisen auftreten, zeugen von diesem Phänomen.

Ausgewählte zeitgenössische künstlerische Positionen treten mit den Exponaten in einen Dialog. Die Skulptur St. Bernetto von Marcel Walldorf (*1983) etwa kommentiert gleich auf mehreren Ebenen das zwiespältige Verhältnis zwischen Mensch und Tier sowie die Vorstellung des perfekten Haustiers.

Mit „tierisch schön?“ rückt das DLM die ambivalente Ästhetik der Exponate in den Fokus kritischer Reflexion und eröffnet damit neue Perspektiven. Es geht weniger um die Beantwortung tierethischer Fragen als darum Anregungen und Denkanstöße zu geben. Die Ausstellung des DLM ist Teil des Kooperationsprojektes Artentreffen entlang der S-Bahnlinie 8 mit der Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim und dem Nassauischen Kunstverein Wiesbaden. Die drei Kulturinstitutionen beleuchten mit zeitgleichen Ausstellungen die verschiedenen Facetten der Beziehungen zwischen Mensch und Tier.

Geöffnet ist von Dienstag bis Sonntag jeweils von 10 bis 17 Uhr. Ab Oktober ist jeden zweiten Donnerstag bis 20 Uhr geöffnet.

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