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Als Marktplatz in die Zukunft

Marktplatz in Nürnberg. Foto: manfredxy

Showrooming alles neues Geschäftsfeld für stationäre Händler

Wenn es um die Zukunft des Einzelhandels geht, ist das Thema Marktplatz allgegenwärtig. Dabei geht es weniger um jene Orte, die, umrahmt von alten Häusern, regelmäßig die Kulisse für den Wochenmarkt bieten. Vielmehr ist die Rede von einem bahnbrechenden Prinzip, das im Onlinehandel längst zum Megatrend geworden ist: Kundenzugang gegen Gebühr.

Die ganz großen Onlineshops, allen voran Amazon und Zalando, haben schon vor langem erkannt, dass prall gefüllte Bankkonten und Fußballfeld-große Läger alleine keine Garanten für ein spannendes und vor allem vielseitiges Einkaufserlebnis sind. Gepaart mit der noch wichtigeren Erkenntnis, dass der mit Abstand wertvollste Aktivposten der Kundenzugang an sich ist, wurde daraus eine Markt-verändernde Bewegung:

Disrupt yourself!

Inspiriert von jenen Orten in den Herzen unserer Städte, die in tausende Jahre alter Tradition Kunden einen umfassenden Zugang zu wechselnden Produktangeboten unterschiedlichster Anbieter verschaffen, formten die heutigen Online-Giganten einmal mehr die Zukunft des Einzelhandels. Sie taten damit etwas, womit sich die stationär tätigen Kollegen bis heute schwer tun: Sie erfanden sich neu, bevor überhaupt jemand auf die Idee gekommen war, dass das nötig sein könnte. Der Publizist Christoph Keese nannte das in seinem gleichnamigen Buch „isrupt yourself“ – sei selbst der Motor der Veränderung und lass Dich nicht von anderen treiben. Man könnte auch sagen: Lauf voran und nicht hinterher!

Es zählt, wo gekauft wird, nicht von wem

Bei den Online-Giganten steht heute nicht mehr im Vordergrund, von wem der Kunde ein Produkt kauft, sondern nur noch, wo er es erwirbt.

Amazon und Co. sind in ihren eigenen Shops heute nur noch ein Anbieter unter vielen. Unterhält man sich darüber mit stationären Einzelhändlern, werfen viele gerne süffisant ein, sich nun auch selbst der so kostengünstig angebotenen Kundenschnittstelle zu bedienen und als Händler auf den Marktplätzen der Online-Konkurrenz unterwegs zu sein. Man hole sich jetzt sein eigenes Stück vom Kuchen – was das Kuchenstück der ungeliebten Online-Giganten ja zwangsläufig verkleinere.

Bloß übersieht nicht, wer so argumentiert, das Wesentliche? Relativ gesehen, mag das mit der Größe des Kuchenstücks stimmen. Doch es blendet aus, dass der Kuchen selbst durch die Strategieänderung dramatisch gewachsen ist – und mit jedem zusätzlichen Warenanbieter, wie unserem exemplarischen Händler, immer weiter wächst. Die Attraktivität der Online-Giganten ist mit der Schaffung der Marktplatz-Funktionalität regelrecht durch die Decke gegangen. Die Relevanz und Sichtbarkeit des einzelnen Händlers hingegen schwindet in diesem System. So sägt jeder Marktplatz-Teilnehmer munter am eigenen Ast.

Neue Relevanz als stationärer Marktplatz

Damit soll keinesfalls angedeutet sein, das Marktplatz-Geschäft sei nichts für den stationären Einzelhandel. Im Gegenteil! Dem stationären Einzelhandel ist einiges zuzutrauen. „Handel ist Wandel“ ist mehr als ein altes Sprichwort – in vielen Händlern schlummert immer noch der Geist der Erneuerung. Daher sollten wir optimistisch sein beim Blick auf die Zukunft.

Viele Einzelhändler haben die hohe Kunst der Warenpräsentation und der Kundenansprache, der Inspiration und der Begleitung von Kaufprozessen über Generationen perfektioniert. Anstatt diese besonderen Kompetenzen nun an der Garderobe der Onlineshops abzugeben und sich regelrecht entkleidet in einen anonymen Wettstreit mit hunderten anderer dezentraler Warenläger zu begeben, sollten sie von Amazon und Zalando lernen.

Erlebbarkeit als Alleinstellungsmerkmal

Längst sehen wir erste Händler, die stationär zu live-erlebbaren Marktplätzen werden. Die Concept-Stores „Vaund“ und „Blaenk“ machen vor, wie sich alleine mit Showrooming ein ganz neues Geschäftsfeld erschließen lässt und in der Schuhbranche liefert „Ludwig Görtz“ mit seinem Düsseldorfer Flagship-Store ein erstes leuchtendes Beispiel dafür, dass das Thema auch in der Schuhbranche Fuß fassen wird.

Sie alle nutzen ihre besondere Expertise in der Inszenierung von Marken und Produkten, der Inspiration und Beratung von Kunden und all die anderen spannenden Services, die nur stationär erbracht werden können, um nach demselben Prinzip Erträge zu generieren, wie es die Online-Konkurrenten vormachen: mit Verkaufsprovisionen.

Technische Lösungen und Konzepte, die den stationären Einzelhandel dabei unterstützen, sein Geschäftsfeld ohne Hürden zu erweitern, gibt es bereits. Nun muss bloß ein alter Spruch mit neuem Leben gefüllt werden: Handel ist Wandel.

Autor:

Thomas Wetzlar ist Geschäftsführer des Unternehmens Scalerion. Davor leitete er das Nordeuropa-Geschäft des Schuhherstellers Falc SpA.

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