Was die neuen Zölle für die Schuhbranche bedeuten
Kurz vor Ablauf einer entscheidenden Frist haben die USA und Vietnam eine vorläufige Einigung im Zollstreit erzielt. Für die globale Schuhindustrie ist der Deal ein zweischneidiges Schwert: Einerseits blieb das gefürchtete Schreckensszenario aus, andererseits sind höhere Preise kaum zu vermeiden.
20 Prozent statt 46 Prozent – ein Kompromiss mit Folgen
US-Präsident Donald Trump verkündete vergangene Woche auf seiner Plattform Truth Social, dass Vietnam künftig einen Zollsatz von 20 Prozent auf sämtliche Exporte in die USA entrichten müsse. Im Gegenzug sollen amerikanische Unternehmen ihre Waren zollfrei nach Vietnam liefern können – ein bisher einmaliger Schritt, wie Trump betonte.
Für Vietnam, das in der globalen Schuhproduktion eine Schlüsselrolle spielt, ist der Kompromiss zwar eine Erleichterung: Noch im April hatte Washington einen „reziproken“ Zollsatz von 46 Prozent in den Raum gestellt, der nun deutlich reduziert wurde. Dennoch trifft die Abgabe die Branche empfindlich. Vietnam ist nach China der wichtigste Fertigungsstandort für Sport- und Freizeitschuhe weltweit. Allein 2024 wurden rund 274 Millionen Paar Schuhe aus Vietnam in die USA importiert – mehr als die Hälfte aller US-Importe in diesem Segment.
Nike, Adidas & Co. unter Druck
Besonders betroffen sind internationale Marken wie Nike, Adidas und Puma, die stark auf Vietnam als Produktionsstandort setzen. Nike lässt rund die Hälfte seiner Schuhe und ein Viertel seiner Bekleidung dort fertigen. Adidas, das etwa 40 Prozent seiner Schuhe in den USA verkauft, produziert nirgendwo sonst auf der Welt mehr als in Vietnam.
„Der Zollsatz von 20 Prozent ist immer noch hoch, auch wenn er niedriger ausfällt als befürchtet“, sagt Peter Kompalla, Leiter der Deutschen Auslandshandelskammer in Ho-Chi-Minh-Stadt. Positiv sei, dass die monatelange Phase der Unsicherheit vorerst beendet sei. Doch die Auswirkungen auf die Endverbraucher seien kaum abzuwenden: „Es ist absehbar, dass sich Schuhe und Bekleidung verteuern werden“, so der deutsche Textilunternehmer Thomas Hebestreit, der in Vietnam für US-Marken produziert. „Am Ende wird der amerikanische Konsument die Zeche zahlen.“
Unklare Regeln beim Transshipping
Zusätzliche Brisanz birgt eine Regelung gegen sogenanntes „Transshipping“: Waren, die lediglich in Vietnam umgeschlagen und nicht dort produziert werden, sollen mit einem Strafzoll von 40 Prozent belegt werden. Damit wollen die USA verhindern, dass chinesische Hersteller bestehende Zölle umgehen, indem sie ihre Waren über Vietnam in die Vereinigten Staaten liefern.
„Die Frage ist, wie eng oder weit die US-Behörden den Begriff ‚Transshipping‘ auslegen“, erklärt Kompalla. „Betroffen sein könnten nicht nur Elektroprodukte, sondern auch Schuhe und Textilien mit chinesischen Vorlieferanten in der Lieferkette.“
Preiserhöhungen unvermeidlich
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die neuen Zölle Preisdruck erzeugen. Laut Daten der US-Branchenorganisation FDRA sind die Importabgaben auf Kinderschuhe im April um fast 300 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Branchenanalysten erwarten, dass viele Marken ihre Verkaufspreise in den kommenden Monaten anheben werden, um die zusätzlichen Kosten abzufangen.