Schuheinzelhandel erholt sich nur langsam von den Lockdowns
Der stationäre Schuheinzelhandel gehört zu den größten Corona-Verlierern. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Schuhgeschäfte laut Statistischem Bundesamt Umsatzeinbußen von rund 21 Prozent verkraften müssen. Damit verloren die Fachgeschäfte nach BDSE-Berechnungen im vergangenen Jahr ein Umsatzvolumen von 1,7 Milliarden Euro und fielen von 8 Milliarden Euro Jahresumsatz im Jahr 2019 auf 6,3 Milliarden Euro Ende 2020 zurück. Diese Zahlen gab der Handelsverband Schuhe (BDSE) anlässlich der Gallery Shoes in Düsseldorf bekannt.
Auch im laufenden Jahr hätten die Schuhhäuser massiv unter der Pandemie und den staatlich verordneten Geschäftsschließungen gelitten. Bis einschließlich Mai mussten sie geschlossen bleiben oder konnten nur unter erschwerten Bedingungen wie Click&Meet oder Click&Collect verkaufen. Wie ein Befreiungsschlag habe es gewirkt, als die Corona-Maßnahmen dann endlich wieder gelockert wurden und ab Juni die Schuhgeschäfte in Deutschland wieder weitgehend normal öffnen durften. Der Nachholbedarf bei den Kunden sei groß gewesen, so dass im Juni ein zweistelliges Umsatzplus erzielt werden konnte, was dem Schuhhandel – insbesondere mit Blick auf Liquidität und die Höhe der Warenbestände – die erhoffte Erleichterung verschafft habe. „In den ersten Wochen waren die Kunden regelrecht euphorisiert“, erinnert sich BDSE-Präsidentin Brigitte Wischnewski vor allem auch an höhere Bons. „Wir hatten nicht mehr Kunden im Laden, aber diejenigen, die kamen, kauften oft mehrere Paar Schuhe.“
Umsätze noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau
Die Vorkrisenumsätze sind jedoch noch lange nicht wieder erreicht. Auch die Kundenfrequenzen lassen noch zu wünschen übrig, insbesondere in den Einkaufsstraßen der großen Metropolen und in den Shopping-Zentren. Vor allem in den Großstädten fehlen nach wie vor internationale Touristen und Messebesucher, die dort üblicherweise für gewichtige Umsatzanteile gerade im hochgenrigen Schuhfachhandel sorgen. So melden die Schuhhäuser, je nach Standort, Lage und Geschäftsmodell, eine sehr unterschiedliche Entwicklung. Durchschnittszahlen spiegeln daher in diesem Jahr zwar die grobe Linie wider, geben aber nur ein unzureichendes Bild der aktuellen Situation der einzelnen Unternehmen des Schuhhandels ab.
Per Ende Juni, und dies entspricht dem Halbjahresergebnis 2021, lag der stationäre Schuheinzelhandel 21,5 Prozent unter der entsprechenden Umsatzmarke von 2020. Laut amtlicher Umsatzstatistik erzielte der Schuhhandel damit nach dem Bekleidungshandel das zweitschlechteste Umsatzergebnis aller beim Statistischen Bundesamt ausgewerteten Einzelhandelsbranchen. Und im Vergleich zum 1. Halbjahr 2019, als die Schuhbranche noch nicht von Corona betroffen war, betrug der Umsatzrückgang nach BDSE-Berechnungen sogar fast 44 Prozent. Ein wahrer Schock für den Schuhhandel: „Früher hatte man schon ein Minus von zwei oder drei Prozent als schwierig empfunden“, so Wischnewski.
Lage beginnt sich langsam zu entspannen
Nach der Wiedereröffnung der Geschäfte im Juni brachten auch der Juli und die erste Hälfte des Augusts dem stationären Schuhhandel ein Umsatzplus. Zwar fielen die Wachstumsraten in diesen Wochen deutlich moderater aus als noch unmittelbar nach dem Ende des Lockdowns, aber zumindest sähen die Handelsunternehmen nun wieder Licht am Horizont, so der BDSE.
Online mit kräftigem Wachstum
Abgesehen von kurzen und regional unterschiedlichen Öffnungsphasen – meist nur mit vorheriger Terminvereinbarung – lag das stationäre Geschäft in der Lockdown-Phase weitgehend darnieder. Kräftig wuchs dagegen in diesen Monaten der Onlinehandel. Nicht nur im Schuh-Versandhandel und bei den Online-Pure-Playern, sondern auch im Multichannel-Schuhhandel mit stationärer DNA. Laut Wischnewski sind „Multichannel-Händler besser durch die Krise gekommen als rein stationäre Händler“.
Insgesamt hat die Pandemie der Marktanteilsverschiebung von Offline zu Online einen starken Schub verliehen. Mittlerweile wird bei einem Marktanteil von 35 Prozent etwa jeder dritte Schuh über irgendeinen der Online-Kanäle verkauft, die Online-Verkäufe des Multichannel-Handels eingeschlossen. Dass nach der Wiedereröffnung der Geschäfte die Verbraucher ihre Schuhe nun wieder stärker stationär einkaufen und in diesem Zuge die Online-Wachstumsraten abflachen, sei zu erwarten gewesen, so der BDSE. Dennoch könne davon ausgegangen werden, dass sich der Online-Marktanteil auch bei Schuhen auf einem deutlichen höheren Niveau einpendeln werde als in der Vor-Corona-Ära.
Mit vorsichtigem Optimismus in die nahe Zukunft
Der Schuhhandel blickt mit vorsichtigem Optimismus auf die kommenden Monate. Der BDSE erwartet einen weiterhin positiven Geschäftsverlauf in diesem Jahr, zumal die Konsumstimmung gut, Kaufkraft vorhanden und die Lust auf neue Mode und auf den Einkauf in den stationären Geschäften groß ist. Aktuell schwächeln die Besucherfrequenzen vielerorts zwar noch, da viele Menschen nach wie vor verunsichert sind und das Einkaufen mit Maske das Shopping-Erlebnis doch einschränkt. Aber sowohl die Kaufrate als auch die Einkaufbeträge der Kunden sind seit der Lockerung der Corona-Maßnahmen erfreulich gestiegen, was für eine nach wie vor hohe Attraktivität des stationären Schuhhandels spricht. „Stationär kommt der Handel wieder ins Rennen“, ist sich die BDSE-Präsidentin sicher, die zusätzliche Umsatzmöglichkeiten für den Handel fordert. Konkret: Sonntagsöffnungen, die vor allem von den Gewerkschaften häufig verhindert würden.
Der BDSE geht davon aus, dass es den Schuhgeschäften gelingt, einen Teil der in den ersten fünf Monaten erzielten Umsatzverluste bis zum Jahresende wieder auszugleichen und die noch vorhanden Überläger deutlich abzubauen. „Ich glaube nicht, dass die Umsatzverluste noch komplett auszugleichen sind, aber einige Prozentpunkte dürften wir aufholen“, sagte Wischnewski. Dies verlange von den Unternehmen und deren Mitarbeitern größte Anstrengung. Auch dürfe es zu keiner gravierenden Verschlechterung der pandemischen Lage kommen, insbesondere wenn dies mit nochmaligen behördlichen Geschäftsschließungen verbunden wäre. Einen erneuten Lockdown würden die meisten Unternehmen des Schuheinzelhandels wohl nicht überleben, glaubt der Händlerverband.