Föderalismus zeigt nicht nur Schwächen, sondern auch einen dezidierten Kompetenzmangel.
Was halten Sie von Vorschlägen, den Saisonrhythmus nach hinten zu verschieben? Wenn ja, um welchen Zeitraum?
Das Verschieben des Saisonrhythmus‘ ist ein theoretischer Aspekt, der an der globalen Praxis scheitern wird, wenn seitens der Hersteller dezidiert keine einheitliche Sprache gesprochen wird. Der Warenbezug ist aufgrund globaler Strukturen von zahlreichen Faktoren abhängig, so dass punktgenaue Landungen nie zutreffen werden. Dadurch wird es immer wieder zu zeitlichen Vorteilen kommen, die Hersteller und Händler am Ende des Tages für den eigenen Wettbewerbsvorteil nutzen werden, sodass auf Zeit betrachtet das System wieder kränkeln wird, wenn keine interdisziplinären Ansätze verfolgt werden.
Wie wirkt sich die Pandemie auf Ihre Sortimentsplanung aus?
Unsere Sortimentsplanung bleibt exakt so bestehen, denn für uns herrscht kein Anlass, nun Panik zu schieben. Wir werden verstärkte Werbemaßnahmen ergreifen, um die Wochen der Schließungen wieder auszugleichen, aber die Aufrechterhaltung unserer Order ist auch ein respektvolles Signal, was wir unseren Herstellern signalisieren, die kurzfristig in einen echten Engpass geraten könnten, wenn eine komplette Branche plötzlich die Verantwortung zum Produzenten schiebt.
Erhalten Sie Unterstützung von Ihren Lieferanten?
Es gibt Hersteller, die aus eigener Motivation heraus Programme zur Unterstützung anbieten. Diesen Support nehmen wir dankend an, achten aber stets darauf, dass die Verhältnismäßigkeit auch stimmt.
Sollte es keine Messen mehr in diesem Jahr geben, wie wollen Sie sich informieren und ordern?
Schuhmessen stehen seit Jahren in der fundamentalen Diskussion um Relevanz. Wenn in Düsseldorf das Kind einen neuen Namen und einen neuen Austragungsort erhält, so ändert es nichts an der generellen Substanz, die infrage gestellt wird. Durch das Internet gibt es nicht nur zahlreiche Möglichkeiten, sich viral zu informieren. Auch die Showrooms der Hersteller zeigen die Kollektionen bereits vor den Messen. Informieren und Ordern wird durch den Ausfall einer Messe kein Hindernis darstellen. Wir schreiben bei schuhplus die gesamte Kollektion stets vor der Messe. Damit ist die Veranstaltung für uns ein Meet&Greet, was für eine Branche sehr gut ist, die Frage ist bloß, ob ein kostenintensiver Rahmen von Relevanz und Notwendigkeit noch überzeugt, da einstige Zielsetzungen verloren gingen. Informieren und Ordern wird durch den Ausfall einer Messe kein Hindernis darstellen.
Wo sehen Sie derzeit den größten Handlungsbedarf? Was ist das das drückendste Problem?
Das größte Problem zeigt sich auf der politischen Bühne in Berlin sowie deren Schauplätze in den Ländern. Das ist eine große Gefahr für die Stabilität, denn irrationale Entscheidungen und fehlende Leitlinien sorgen für eine Ohnmacht. 800-Ouadratmeter-Regel, Abstandshaltung, Wirkungskreis pro Person: Der Föderalismus zeigt nicht nur Schwächen, sondern auch einen dezidierten Kompetenzmangel. Wenn zugleich der Spielraum für gesetzliche Interpretationen hochgehalten wird, führt dies selbererklärend zu einem Ungleichgewicht. Wenn so eine Diskrepanz, die nicht objektiv erklärt wird, zum Schicksalsschlag eines einzelnen Händlers wird, entsteht Unmut und Zorn, wenn der Eindruck entsteht, persönliche Existenzen werden nach einem Würfelsystem entschieden.