Interview mit CEO Thorsten Weiß
Nachhaltigkeit, Handwerk und ein konsequentes Barfußkonzept – dafür steht die Marke bLIFESTYLE. Seit der Gründung im Jahr 2020 hat sich das Unternehmen mit Sitz in Sindelfingen als feste Größe im Markt für ökologische Minimalschuhe etabliert. Im Interview spricht Gründer Thorsten Weiß über seine Vision einer gesunden Fußentwicklung, die Herausforderungen nachhaltiger Produktion und seine Pläne für die Zukunft.
- Was hat Sie persönlich an der Idee von Barfußschuhen fasziniert – und wie ist daraus bLIFESTYLE entstanden?
Die Idee entstand aus einer persönlichen Notwendigkeit. Als ich 2006 Vater wurde, stellte sich schnell die Frage, welche Schuhe für meine Tochter geeignet wären. Die Suche nach gesunden, kindgerechten Schuhen blieb erfolglos. 2015 begann ich deshalb unter der Marke Filii, erste Barfußschuhe für Kinder zu entwickeln. Es ergab für mich schlicht keinen Sinn, einen hochsensiblen Kinderfuß in ein starres Korsett namens „Schuh“ zu zwängen. Eine gesunde Fußentwicklung erfordert sensorische Reize, Bewegungsfreiheit und anatomische Rücksichtnahme ‒ all das fehlte im bestehenden Angebot. Ich bevorzuge auch den Begriff „Minimalschuh“, da er den Ansatz treffender beschreibt. Mit meinem Hintergrund als Ingenieur für Fahrzeugtechnik war das wie die Suche nach dem idealen „Reifen“ für den menschlichen Fuß: flexibel, funktional, reduziert auf das Wesentliche. 2016 trat ich bei „Die Höhle der Löwen“ auf und konnte dem Thema zusätzliche Sichtbarkeit verschaffen. bLIFESTYLE entstand später aus dem Wunsch, das Konzept konsequent nachhaltig weiterzuentwickeln für alle Altersgruppen und Lebensbereiche.
- Was unterscheidet einen echten Barfußschuh – nicht nur technisch, sondern im Lebensgefühl?
Technisch gesehen steht ein Barfußschuh für kompromisslose Flexibilität, Nullsprengung und eine anatomisch geformte Zehenbox. Doch entscheidender ist das Lebensgefühl: Es geht um Freiheit, Erdung und unmittelbares Körperbewusstsein. Man spürt mehr ‒ den Untergrund, den eigenen Gang, das Gleichgewicht. Die Bewegung wird natürlicher, leichter und achtsamer. Als sportlich aktiver Mensch spüre ich den Unterschied deutlich: Das Risiko des Umknickens reduziert sich, weil der Fuß ganzheitlich aktiviert wird und Reize direkter verarbeitet. Barfußschuhe geben dem Körper zurück, was konventionelle Schuhe ihm nehmen.
- Welchen Stellenwert hat die Barfußbewegung heute – ist sie Trend, Nische oder schon im Alltag angekommen?
Was vor Jahren noch belächelt wurde, erfährt heute zunehmend Akzeptanz. Seit etwa 2020 beobachten wir einen klaren Aufwärtstrend. Die Erkenntnis, wie grundlegend Fußgesundheit für das gesamte Wohlbefinden ist, setzt sich immer mehr durch. Für uns ist es längst mehr als ein Trend. Die Marke bLIFESTYLE steht für einen bewussten Lebensstil ‒ das „b“ symbolisiert „bewusst“ oder „balanced“. Dieser Anspruch reicht von Ernährung über Bewegung bis hin zum Konsumverhalten. Leider beobachten wir aktuell auch, dass viele Anbieter aus Fernost in den Markt drängen ‒ mit reinem Fokus auf Preis, nicht auf Nachhaltigkeit.
- Viele kennen Barfußschuhe vor allem aus dem Outdoor- oder Gesundheitskontext. Wie gelingt es Ihnen, diese Produktkategorie auch im urbanen oder modischen Umfeld zu positionieren?
„Barefoot goes Fashion“ ‒ das war von Anfang an unser Anspruch. Wir kombinieren natürliche Materialien mit modernen, reduzierten Schnitten. So wird aus einem Gesundheitsschuh ein alltagstaugliches, stilvolles Produkt. Das Design unserer Zehenbox ist bewusst weniger „V“-förmig, als es anatomisch ideal wäre. Dieser Kompromiss ist kalkuliert: Eine gefälligere Optik senkt die Hemmschwelle. Unsere Designs kaschieren die Breite elegant. Zudem sind wir der erste Barfußschuhhersteller, der ab der aktuellen Herbstsaison halbe Größen im Damensegment anbietet.
- Wer trägt heute bLIFESTYLE ‒ und welche Zielgruppen möchten Sie künftig stärker ansprechen?
Unsere Kundinnen und Kunden sind bewusst lebende Menschen, die gesunde und nachhaltige Produkte für sich und ihre Familien suchen. Aktuell liegt unser Fokus stark auf dem Kinderschuhsegment. Zukünftig möchten wir verstärkt junge Erwachsene, urbane Berufstätige und modebewusste Kundinnen ansprechen, die Funktion und Ästhetik gleichermaßen schätzen.
- Welche besonderen Anforderungen stellt die Entwicklung eines Barfußschuhs?
Ein Barfußschuh erfordert ein komplett anderes Denken: ultraflexible Sohlen, anatomisch korrekte Leisten, schadstofffreie und atmungsaktive Materialien. Jeder Millimeter zählt – der Schuh soll möglichst unauffällig wirken. Als ich 2015 begann, traf ich oft auf Unverständnis. Viele Lieferanten fielen in alte Muster zurück, da sie das Konzept schlicht nicht kannten. Bis heute müssen wir wachsam bleiben, um Rückschritte zu vermeiden ‒ insbesondere bei der Sohle und den Leisten. So haben unsere Kleinkindmodelle Sohlen mit nur 2,5 Millimeter Stärke, die trotzdem alltagstauglich und abriebfest sein müssen.
- Wie verbindet man minimalistisches Gehen mit modernem Design?
Funktion ist für uns kein Widerspruch zur Ästhetik ‒ im Gegenteil: Sie ist Teil des Designs. Wir setzen auf klare Linien, ausgewählte Farben und liebevolle Details. Weniger ist mehr, visuell wie funktional. Unsere Schuhe sind die Schnittstelle zwischen Naturgefühl und urbanem Stil.
- Gibt es Modelle oder Features, auf die Sie besonders stolz sind?
Ich persönlich trage im Alltag gern das Modell „windhauchSTYLE“, beim Sport „wüstenwindSTYLE“. Bei Kindern sind die Sommermodelle „wildbienenSTYLE“ und „alpenfledermausSTYLE“ besondere Highlights, im Winter dominieren „gibbonSTYLE“ und „koalaSTYLE“. Stolz bin ich auch auf die Namensgebung: Unsere Modelle tragen Tier- oder Pflanzennamen, als Zeichen unseres Engagements für Umwelt- und Artenschutz. Wir spenden jährlich einen Teil unserer Einnahmen an entsprechende Projekte. Mit dem Label „SAVE US“ arbeiten wir aktuell an einem Zertifikat, das auch anderen Labels offenstehen soll. Denn gemeinsam lässt sich mehr bewegen.
- Wie verbindet sich das Konzept „natürlich gehen“ mit nachhaltiger Herstellung?
Für uns gehören gesunde Bewegung und ökologische Verantwortung untrennbar zusammen. Wir verwenden natürliche Materialien, bevorzugen kurze Lieferketten und lassen ausschließlich in Portugal fertigen. Unser Produzent dort arbeitet sozial verantwortlich und wirtschaftet nachhaltig. Das ist uns genauso wichtig wie ein faires Preisniveau für alle Beteiligten.
- Viele sprechen heute über Öko-Standards. Woran erkennt man wirklich glaubwürdige Barfußschuhmarken?
Glaubwürdigkeit zeigt sich in der Konsequenz. Wer neben Barfußschuhen auch konventionelle Schuhe produziert, verfolgt eher eine Marktstrategie als eine Überzeugung. Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Wir bei bLIFESTYLE stehen voll hinter unserem Konzept und leben es in jedem Aspekt des Produkts und der Kommunikation.
- Welchen Stellenwert haben langlebige Produkte für Sie?
Einen zentralen. Ein Produkt ist nur dann nachhaltig, wenn es lange nutzbar ist. Unsere Kinderschuhe sollen möglichst an Geschwister oder Freunde weitergegeben werden können. Die Sohle ist langlebig, die Innensohle austauschbar. Natürlich sind Naturmaterialien empfindlicher – deshalb gleichen wir das gezielt durch funktionale Komponenten aus. Gerade bei mittleren Preisklassen erwarten Eltern auch eine gewisse Robustheit.
- Wie entwickelt sich der Barfußschuhmarkt derzeit?
Deutlich dynamisch. Immer mehr Menschen hinterfragen herkömmliche Schuhkonzepte. Auch im B2B-Bereich steigt das Interesse. Gleichzeitig beobachten wir verstärkten Marktzugang durch Anbieter aus Asien mit völlig anderen Prioritäten.
- Welche Vertriebskanäle eignen sich besonders – stationär, online oder beratungsintensiv im Fachhandel?
Alle drei spielen eine Rolle. Online bietet Reichweite, der Fachhandel liefert Beratung und Vertrauen. Wir glauben an die Kombination: Der beste Effekt entsteht, wenn sich digitale und stationäre Angebote ergänzen. Deshalb schätzen wir unsere Handelspartner sehr und empfehlen unseren Kundinnen und Kunden immer den Fachhandel.
- Beobachten Sie internationale Unterschiede in der Akzeptanz?
Ja, definitiv. In Skandinavien oder der Schweiz ist das Thema teils deutlich etablierter als in Südeuropa oder Frankreich. In den USA wächst die Bewegung ebenfalls, allerdings braucht es dort mehr Aufklärungsarbeit. Barfußgehen ist auch eine kulturelle Haltung, nicht nur eine Produktentscheidung.
- Gibt es technologische Entwicklungen, die das Barfußlaufen künftig verbessern?
Ja, vor allem im Bereich der Materialtechnologie. Wir arbeiten an noch dünneren, robusteren Sohlen und an pflanzlichen Alternativen zu synthetischen Komponenten. Innovation in der Nachhaltigkeit bleibt ein zentraler Fokus für uns.
- Was ist Ihre Vision für bLIFESTYLE als Marke und als Teil einer Bewegung?
Unsere Vision ist klar: Barfußschuhe sollen selbstverständlich werden für alle Altersgruppen, in jedem Lebensbereich. bLIFESTYLE steht für ganzheitliche Gesundheit, bewussten Konsum und funktionales Design. Wir wollen zeigen, dass Stil, Komfort und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sind, sondern sich gegenseitig bereichern. Gleichzeitig begreifen wir uns als Teil eines größeren ökologischen Zusammenhangs. Mit jedem Modell, das einen Tier- oder Pflanzennamen trägt, möchten wir Bewusstsein schaffen und mit jeder Kollektion Projekte im Umwelt- und Artenschutz fördern. Verantwortung endet für uns nicht am Produkt.