Strategien für mehr Händlerertrag in einem stagnierenden Markt
Vom 12. bis 14. August trifft sich die Schuhbranche in Mainhausen zur ANWR Order Summer No. 1. Auf dem weitläufigen Campus der ANWR GROUP präsentieren Hersteller, Marken und Dienstleister ihre Kollektionen und Konzepte für die Frühjahr/Sommer-Saison 2026 – und zunehmend auch für ergänzende Sortimente wie Textil und Accessoires.
Doch der Blick der Veranstalter geht in diesem Jahr weit über das reine Ordergeschäft hinaus: Angesichts anhaltend schwieriger Marktbedingungen setzt die ANWR Schuh GmbH auf eine Mischung aus besseren Konditionen, datenbasierten Werkzeugen und praxisnahen Services, um die Ertragslage ihrer Händler zu verbessern.
Ein Markt ohne Wachstum – aber mit Chancen für Anpassungsfähige
„Wir befinden uns in einem Verdrängungsmarkt, nicht in einem Wachstumsmarkt“, fasst Geschäftsführerin Astrid Heinze die Lage nüchtern zusammen. Seit Beginn der 2000er-Jahre stagniert der Umsatz mit Schuhen in Deutschland. Lag dieser 2000 nach Schätzungen des Instituts für Handelsforschung bei 9,454 Milliarden Euro, waren es 2024 gerade mal 86 Millionen Euro mehr. Herausforderungen wie Inflation, Konsumzurückhaltung sowie sinkende Zahlen von Schuhgeschäften in Deutschland und damit verbundenen Leerständen in den Innenstädten erschweren es Händlern immer noch das Vorkrisenniveau vor Corona zu erreichen.
Zwar prognostizieren Marktforscher bis 2029 ein absolutes Umsatzplus auf 10,064 Milliarden Euro, doch inflationsbereinigt bleibt das Wachstum null – und der Anteil der Schuh- und Bekleidungsausgaben am Gesamtkonsum der privaten Haushalte sinkt weiter: von 5,5 Prozent der Konsumausgaben im Jahr 2000 auf 3,2 Prozent 2029.
Für Händler bedeutet das: Preisdruck, stagnierende Nachfrage, verschärfter Wettbewerb. Hinzu kommen strukturelle Probleme wie verspätete Warenlieferungen – nicht selten erreichen Kollektionen den Handel erst, wenn Preisreduzierungen bereits laufen, wie gerade in der aktuellen Frühjahr/Sommer-Saison. Entsprechend war das erste Halbjahr 2025 stark aktionsgetrieben und damit mit deutlichen Abschriften verbunden. Auch die Preisstruktur zeigt Auffälligkeiten: Während die Eckpreislage von 99 Euro dominiert, werden immerhin 30 Prozent der Schuhe über 100 Euro verkauft. Preispunkte zwischen 100 und 110 Euro kommen dagegen kaum vor. Die Durchschnittspreise für Schuhe haben sich bei den ANWR-Händlern im ersten Halbjahr um 0,6 Prozent reduziert. Insgesamt ging der Umsatz um 3,5 Prozent zurück.
Im Abverkauf blieb die Rangliste der Marken weitgehend stabil. „Die Händler halten an alten Marken fest und die Verbraucher kaufen, was ihnen angeboten wird“, so Heinze. Bemerkenswert: Erstmals hat die Marke Skechers nach Jahren beim Rausverkauf Rieker als Nummer eins abgelöst.
Werkzeuge für höhere Margen – Konditionen und Warenzugänge
Ein zentrales Instrument der ANWR ist das Shoe Love Partner Programm (SLPP). Mittlerweile beteiligen sich 59 Lieferanten und gewähren den Händlern drei Prozent Rabatt auf alle Artikel aus der saisonalen Vororder – on top zu den regulären Konditionen. Neu ist, dass die sogenannte 3er-Kalkulation bei Exklusivmarken nun ab dem ersten Paar greift, unabhängig von der Bestellmenge. Ziel ist es, insbesondere kleinere Händler zu entlasten. „Früher haben hier die kleineren Händler die größeren subventioniert. Das ist jetzt vorbei“, betont Heintze.
Zusätzlich treibt die ANWR die Sortimentserweiterung voran: 65 Lieferanten im Bereich Textil und Accessoires sind inzwischen gelistet. Händler, die diese Sortimente führen, erzielen im Durchschnitt einen besseren Ertrag. Ein neues Schaufenster dafür ist die Sport- & Lifestyle-Messe ab November 2025, die in die Sport 2000-Ordertage integriert wird. Eine komplette Halle soll hier Lifestylemarken mit frühen Orderterminen zeigen.
Retail Pop-up Store und Empfehlungsprogramm
Wie sich Textilien und Accessoires clever in das bestehende Schuhsortiment integrieren lassen, demonstriert ein Retail Pop-up Store in Halle 4. Hier erleben Händler praxisnah, wie wenige Quadratmeter Fläche reichen, um Zusatzumsätze zu generieren – mit sofort bestellbaren Artikeln, die ohne Umkleidekabine auskommen und sich einfach kombinieren lassen. Flankierend bietet ANWR ein strukturiertes Empfehlungsprogramm, um den Einstieg zu erleichtern.
Daten als Erfolgsfaktor – Sortimentsplanung mit System
Co-Geschäftsführer Patrick Gottesleben sieht in der datenbasierten Sortimentsoptimierung ein weiteres zentrales Werkzeug für höhere Erträge. „Mittlerweile liefern 700 Händler ihre Daten – und der Mehrwert wird immer klarer erkannt“, so Gottesleben. Die daraus abgeleiteten Performanceberatungen helfen, Potenziale zu identifizieren, Renner gezielt nachzuordern und das Sortiment besser an regionale Kundenbedürfnisse anzupassen.
Mehr Ertrag durch Wissenstransfer und Kostenvorteile
Auch auf der Service-Seite baut die ANWR ihr Angebot aus. Kostenfreie Webinare zu Themen wie Einkaufsplanung, Liquidität, Verhandlungstechniken und Margenoptimierung werden stark nachgefragt. Der regionale Businesstalk wurde von drei auf vier Termine pro Jahr erweitert.
Nicht zu unterschätzen sind die Vorteile aus dem Zentraleinkauf: Unter der Leitung von Jochen Obrecht profitieren Mitglieder von attraktiven Konditionen beim Autokauf oder -leasing, beim Fahrradleasing, bei Tankkarten, Energieverträgen oder Ladenbau. „In vielen Bereichen können unsere Partner hier bares Geld sparen – oft deutlich mehr, als sie erwarten“, so Gottesleben.
Oder, wie es Astrid Heinze formuliert: „Wir können den Markt nicht vergrößern – aber wir können unsere Händler in eine Position bringen, in der sie mehr vom vorhandenen Markt für sich gewinnen.“